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2.145.1.1 _ 1




2.145.2.1

2.145.3.1 _ 2



2.145.4.1




2.145.5.1




2.145.6.1










 


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Die Darstellung des unmittelbar Wahrgenommenen



Es kommt uns vor, als wäre die Erinnerung eine etwas sekundäre Art
der Erfahrung, im Vergleich zur Erfahrung des Gegenwärtigen. Wir
sagen "daran können wir uns n u r erinnern". Als wäre in einem
primären Sinn die Erinnerung ein etwas schwaches und unsicheres Bild
dessen, was wir ursprünglich in voller Deutlichkeit vor uns hatten.
In der physikalischen Sprache stimmt das: Ich sage "ich kann mich
nur undeutlich an dieses Haus erinnern".

Und warum es nicht dabei sein Bewenden haben lassen? Denn diese
Ausdrucksweise sagt ja doch alles, was wir sagen wollen und was sich
sagen läßt! Aber wir wollen sagen, daß es sich auch noch anders sagen
läßt; und das ist wichtig.
In dieser andern Ausdrucksweise wird der Nachdruck gleichsam
auf etwas anderes gelegt. Die Worte "scheinen", "Irrtum", etc. haben
nämlich eine gewisse Gefühlsbetonung, die den Phänomenen nicht
wesentlich ist. Sie hängt irgendwie mit dem Willen und nicht bloß mit
der Erkenntnis zusammen.
Wir reden z.B. von einer optischen Täuschung und verbinden mit
diesem Ausdruck die Idee eines Fehlers, obwohl ja nicht wesentlich ein
Fehler vorliegt; und wäre im Leben für gewöhnlich das Aussehen
wichtiger, als die Resultate der Messung, so würde auch die Sprache zu
diesen Phänomenen eine andere Einstellung zeigen.
Es gibt nicht – wie ich früher glaubte – eine primäre Sprache im
Gegensatz zu unserer gewöhnlichen, der "sekundären". Aber insofern
könnte man im Gegensatz zu unserer Sprache von einer primären
reden, als in dieser keine Bevorzugung gewisser Phänomene vor
anderen ausgedrückt sein dürfte; sie müßte sozusagen absolut s a c h l i c h
sein.



 

 

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  Ludwig Wittgenstein: Wiener Ausgabe. Band 11: 'The Big Typoscript'. Springer-Verlag, Wien, 2000.